Wie 1953
eine BK die Jawa und Horex'
versägte
Mit der BK 350 von Kiel nach München
Kleine Betrachtungen zur diesjährigen "ADAC‑Jubiläums‑Deutschlandfahrt,' Von Ing. Kurt Kämpf, ZschopauSa.
Ausgehend von der Tatsache, daß die IFA BK 250 als reine Straßenmaschine konstruiert wurde
- denn zu der Zeit als sie auf den
Reißbrettern immer mehr Form annahm, hat noch keiner an Geländesport gedacht -
sind wir Zschopauer auf die Idee gekommen, uns an einer reinen Straßen-Zuverlässigkeitsfahrt,
wie sie die diesjährige Deutschlandfahrt darstellte, zu beteiligen. Wir haben
zwar auch schon den Beweis , der Geländegängigkeit
unserer BK 350 mehrmals erbracht, jedoch fehlte immer noch der
Vergleich mit den Fabrikaten Westdeutschlands, die ja bei uns in den. Hirnen
vieler "Motorradkenner" als „Wundermaschinen“ besprochen werden, mit
denen, die Erzeugnisse unseres volkseigenen IFA
Motorradwerkes angeblich keinesfalls Schritt zu halten vermögen. Unsere errungenen Medaillen werden nun
hoffentlich viele Pessimisten eines Besseren belehrt haben,
wie wir vor
allem vielen westdeutschen Sport freunden
und Technikern einen argen Strich durch ihre Berechnung hinsichtlich unserer
Erfolgsaussichten gegen die starke Konkurrenz der Horex‑Sportmaschinen
mit ihren reichlich 20 PS, gegenüber
unseren knapp 15 PS gemacht haben. So oft wie während der letzten Tage der
Fahrt wurde wohl noch nie das Wort
"IFA" mit einer gewissen Achtung von vielen Westdeutschen
ausgesprochen, wenngleich auch fast
keiner verhehlte, in welch krassem Gegensatz die äußere Auf machung unserer BK
350 zu den chromstrotzenden und lacksprühenden
Maschinen unserer westdeutschen Freunde steht. Von dem noch fehlenden Finish schloß man logischerweise auch
auf die Güte und Qualität des Materials, was manchem technisch versierten
Zuschauer in Kiel Zweifel an ein Wiedersehen mit uns in München aufkommen ließ.
Daß es ganz anders kam und wir nicht nur alle drei Etappen ohne Zwischenfall
durchfuhren, sondern auch noch mit
zwei goldenen und einer silbernen Medaille, ferner mit dein silbernen ADAC‑Becher
für den klassenbesten Fahrer in den zwei
Sonderprüfungen ausgezeichnet wurden, erfüllt uns alle mit Stolz und läßt uns
all die kleinen Sticheleihen und Anpflaumereien,
denen wir am Anfang ausgesetzt waren, vergessen.
Von 15 gestarteten Maschinen in der Klasse B bis 350 ccm erreichten nur sieben das Ziel, davon nur
zwei strafpunktfrei, wo runter eine IFA
BK 350 neben der einzigen mitgestarteten Jawa war. Hätte die zweite BK unter H a a
s e nicht ausgerechnet in der Sonderprüfung
auf dem .Schauinsland" bei Freiburg
Kerzenschaden gehabt, wären auch ihr die Strafpunkte erspart geblieben.
Nervenaufreibender Bürokratismus
Wenn ich nun heute an diese Fahrt zurückdenke, kann ich nicht
umhin, all die Schwierigkeiten zu erwähnen, die überwunden werden mußten, bis
wir erst einmal in Kiel waren. Nicht nur, daß ein Eilbrief, der die
Befürwortung für die Pässe enthielt, von Berlin bis Karl‑Marx‑Stadt
vier Tage brauchte, sind auch die Interzonenpässe buchstäblich erst im
allerletzten Augenblick ausgestellt worden, so daß nur noch eine Gewaltfahrt
über Dresden nach Berlin übrig blieb, damit der vorgesehene Zug, der uns
rüberbringen sollte, erreicht werden konnte.
Stellt man sich diese seelischen und' körperlichen Belastungen
vor, denen wir schon vor der Fahrt, die ja immerhin in drei Tagen über 1700 km
ging, ausgesetzt waren und zieht mal Vergleiche mit anderen Sportarten, bei
denen die Teilnehmer, vor solchen Belastungen nicht nur bewahrt bleiben,
sondern in tage‑ bzw. wochenlangen Lehrgängen systematisch auf ihre
Aufgaben vorbereitet werden, so muß man feststellen, daß speziell im Motor‑
und Motorrennsport noch vieles für unsere Sektion zu tun übrigbleibt. Wenn wir
trotzdem Erfolge erzielen konnten, ist es mit dem
Glück zu verdanken, das uns diesmal nicht verließ, ob es aber immer auf unserer
Seite stehen wird, kann wohl,
angezweifelt werden. Besser ist schon, wenn uns genügend Vorbereitungszeit und
Schonung vor allem nervenaufreibenden Bürokratismus gegeben wird, ehe wir in so
eine Veranstaltung einsteigen, deren Ergebnisse nicht nur rein sportlichen
Charakter tragen, sondern auch einen Wertungsfaktor für den Leistungsstand der
daran teilnehmenden Fabrikate darstellen. In Kiel konnten wir nicht nur
Seeluft, sondern auch die richtige Atmosphäre einer großzügig aufgezogenen
Motorsportveranstaltung atmen. Die Renndienstwagen der verschiedensten
Zubehörfirmen fehlten in dem Milieu ebensowenig wie die prall gefüllten
Fahrerbeutel mit allen wichtigen Papieren für die Fahrt.
Nach der offiziellen Maschinenabnahme am Dienstag, bei der
alle wichtigen Teile am Motor und Fahrgestell mit einer Geheimfarbe bepinselt
wurden, kamen alle Fahrzeuge auf einen abgeschlossenen Parkplatz und wurden
erst 15 Minuten vor der Startzeit am Mittwoch früh wieder freigegeben. Unsere
BKs fanden überall großes Interesse, und wenn man all die Fotos hätte, die von
ihnen geknipst wurden, würde ein Album schon voll werden. Die Aussprüche aber.
die dabei fielen, können nicht immer als Lob aufgefaßt werden. Die
Sorglosigkeit, mit der selbst Fachleute negative Urteile abgaben, ohne doch
überhaupt die Maschine jemals gefahren zu haben, hat mich manchmal viel Mühe
gekostet, eine passende Antwort zu finden (und das will bei mir schon was
heißen). Diese ganze negierende Einstellung zu unserer BK war für uns eine
große Nervenbelastung, mit der wir schon vorbelastet die Fahrt antreten mußten.
Ein Ausfall unserer Maschinen, und sei es auch nur durch Unfall oder sonstige
Einflüsse von außen, hätte die Kritiker ja schon auf den Plan gerufen Lind je
nach Auslegung ihren Worten recht gegeben. Das zu verhindern, war deshalb von
Anfang all unser fester Wille. Diese Spannung hatte sich bei H a a s e und mir aber so auf den Magen gelegt, daß uns nicht
mal Schokolade mehr schmeckte, was bei mir als Nichtraucher bisher kaum für
möglich gehalten wurde.
Erste Etappe: Kiel ‑ Dortmund = 547 km
Mit dieser äußeren und inneren Unruhe traten wir nun am
Mittwoch, dem 20. Mai 1953, früh auf die Kickstarter, und die bis dahin für uns
längste Zuverlässigkeitsfahrt begann. H a a s e, der
eine Minute nach mir starten mußte, hatte bald zu mir aufgeschlossen, und
gemeinsam jagten wir den vor uns gestarteten Horexen
nach.
Einen ernüchternden Eindruck hatte ich schon 1500 m nach dem
Start, als ich eine von ihnen mit einem 10‑Tonner karamboliert liegen
sah. Wir waren kaum aus Kiel heraus, als eine Blutlache auf der Straße von
einem weiteren Unfall kündete. (Hinterher erfuhr ich, daß sich dort ein junger
Fahrer auf einer 175er Maico den Schädel eingerannt
hat.) Man kann sich so ungefähr vorstellen, wie uns zumute war, als wir nun im
90er Tempo bei dem fürchterlichen Verkehr Anschluß an das Feld der 350er
suchten.
Der Polizei kann ich dabei nur ein gutes Zeugnis ausstellen. Sie hat versucht uns Fahrern, die wir mit dem gelben Nummernschild vor dem Scheinwerfer schon von weiten zu erkennen waren, die Straße frei zu machen, so daß wir durch Städte wie Neumünster, Hamburg, Bremen usw. mit 80 Sachen durchrauschten, daß es eine wahre Pracht war. In der Zwischenzeit hatten wir das Rudel der gemeinsam fahrenden Horex‑Leute erreicht und rasten nun hinter denen durch die Ortschaften.
In Hamburg setzte sich sogar eine "weiße Maus" mit
einer R51/3 vor unser Feld und wollte uns noch schneller durch die herrliche
Alsterstadt führen, wo wir doch schon 15 Minuten Vorsprung vor unserer Sollzeit
herausgefahren hatten und für jede weitere Minute Strafpunkte erhalten konnten
Er sah das dann auch ein und suchte sich andere, die schneller fahren mußten.
In Hannover hatten wir nicht nur die Hälfte der. Tagesetappe
hinter uns, sondern auch einen anständigen Kohldampf, den wir all den reichlich
vom ADAC gedeckten Tischen auf die Schnelle, was zwar nicht gesund ist, (sagt
meine Frau immer). tilgen konnten. Da es eine Mittagspause gar nicht gab, sondern
die Zeit wieder herausgefahren werden mußte. Über Minden ‑ Herford führte die Strecke weiter zur zweiten Zeitkontrolle nach Bielefeld. Bis zurn Etappenziel in Dortmund waren es dann nur noch
reichlich 100 km, die wir termingemäß abspulten und 1729 bzw. 17.30 Uhr
aufatmend unsere Kontrollkarte stempeln lassen konnten.
Von früher war mir Dortmund immer nur durch das gute Union‑Bier bekannt weshalb ich beschloß diese
Freundschaft wieder zu erneuern. Als ich aber den Hotelzimmerpreis las und die
letzte Spalte der Speisekarte betrachtete, bin ich Abstinenzler geblieben.
Ehe ich nun fortfahre zu schildern, wie wir vom Norden nach
dem Süden mit Geschwindigkeiten fuhren, an die bei uns noch keiner denken darf.
ohne Eindrücke von Stempeln zu sammeln, will ich erst mal ein anderes Thema
anschneiden ‑ Manche werden sich doch nun fragen: "Wie haben die
sich denn in Westdeutschland so ohne weiteres zurechtgefunden?'' War die Stecke
markiert oder sogar abgesperrt, oder sind sie nach der Karte gefahren? Dazu ist
zu sagen, daß zwar laut Ausschreibung eine Beschilderung der Strecke nur in den
Ortschaften erfolgt, in denen sich eine Durchfahrts‑ bzw. Zeitkontrolle
befindet, die einzelnen ADAC‑Ortsgruppen jedoch haben es; sieh zur Ehre
gereichen lassen, die Strecke durch ihren Bezirk auch zu beschildern, so daß
wir, von wenigen Ausnahmen abgesehen, fast über die ganze Strecke
Richtungspfeile vorfanden und ein Verfahren nur mit größter Dummheit möglich
war. Eine Absperrung der Strecke jedoch gab es nicht, wir fuhren mit dem normalen
Straßenverkehr mit. Das Schwierigste war ja auch nicht die Orientierung,
sondern die genaue Einhaltung der verlangten Durchschnittsgeschwindigkeit, die
über die ganze Strecke eingehalten werden mußte und jeden Tag durch zwei
Geheimkontrollen überprüft wurde. Wer als Solofahrer mehr als 15 Minuten heraus‑
bzw. 15 Minuten hinterherfuhr, als er nach seiner Sollzeit in einem der rund 50
Durchfahrtsorte, die auf jeder Tagesetappenkarte angegeben waren, sein durfte,
erhielt für jede weitere Minute einen Strafpunkt. Das bedeutete, daß man nun
nicht frei drauflosjubeln konnte und an den
Zeitkontrollen, die eine Karenzzeit von drei Minuten nach der Sollzeit hatten,
wartete, bis man dran war, oder evtl. Pannen durch einen beruhigenden
Halbstundenvorsprung in aller Seelenruhe beheben konnte. Eine gute
Streckeneinteilung war deshalb das All und das "0" der ganzen Fahrt.
Aus diesem Grunde habe ich an meinen Lenker eine alte, umgebaute
Rollfilmkassette angebaut, in der ich einen 6 cm breiten Papierstreifen unter
einem Guckfenster während der Fahrt durchrollte, auf dem alles Wichtige über
Strecke, Fahrzeit und Kilometer von Ort zu Ort sowie laufende Fahrzeit und
Kilometer standen.
Wir Solofahrer über 250 ccm hatten es mit der Berechnung sehr
leicht, da wir einen 60er Schnitt fahren mußten, und somit die laufenden
Kilometer gleich den laufenden Minuten entsprachen. Von den
Seitenwagengespannen bis 350 ccm wurden 52 km/h verlangt, was nicht nur
allerhand Dampf ist, sondern auch viel Rechnerei verlangte, wobei deren Karenzzeit
an den Geheimkontrollen nur plus minus 10 Minuten betrug.
Mit einer abrollbaren
Streckeneinteilung war ich nicht nur immer auf dem laufenden, sondern auch
schon nach kurzer Fahrzeit der Zeiteinteiler unserer anderen Klassenfahrer, die
sich laufend wahrscheinlich zur eigenen Beruhigung, Auskunft über Zeit und Weg
von uns geben ließen Mit Befriedigung kann
ich
abschließend feststellen, daß sich meine Aparatur
bestens bewährt hat, denn Strafpunkte habe ich an keiner offenen noch geheimen................. Kontrollstelle erhalten
Zweite
Etappe: Dortmund Freiburg/Breisgau =515. km
Wenn ich mich auch zu den begeisterten Motorradfahrern
rechnen kann, so muß ich doch sagen, daß die
Begeisterung rasch verfliegt, wenn ich mich schon früh um 4 Uhr mit
nüchternem Magen ' auf ein Motorrad setzen muß. Doch half mir niemand, es ging
eben, für mich ‑ schon 4.03 Uhr los, ohne daß Petrus richtig Licht
gemacht hatte. Kalt war es außerdem. Die BK kam auf, den zweiten Tritt, es war
ein Staat, manche Horexer haben toll getrampelt. Nach
20 km fuhren wir auf die Autobahn und um den Kohlenpott herum bis Köln, wo sich
die meisten Kölner nach dem rücksichtslosen Geknatter der Viertakter bestimmt
nochmals auf die andere Seite legten während wir schon auf der breiten Ausfallstraße
nach Bonn unterwegs waren. Von dort ging e s
dann immer am Rhein entlang über Koblenz, wo eine Zeitkontrolle
eingeschoben war, nach Bingen. Die Loreley habe ich nicht gesehen,
wahrscheinlich war es ihr noch zu früh und zu taufrisch, obwohl doch weiches
Wasser gut für blonde. Haare sein soll. Vom Rhein habe ich auch vor lauter
Schiffen nicht viel gesehen. Das Zermürbenste aber an
dieser Rheinstraße sind jedoch die vielen schienengleichen Bahnübergänge, die
durch den immensen Zugverkehr alle paar Minuten durch Schranken gesperrt
werden. Da hilft kein Schimpfen und kein Fluchen, wenn man Pech hat, überholt
man unterwegs wieder den Zug und muß nach einigen Kilometern wieder warten.
Dabei geht kostbare Zeit verloren, die nur durch "auf die Tube"
drücken wieder herausgefahren werden kann weshalb ich auch, kaum das andere
Ufer betrachten konnte, ganz davon abgesehen, daß es wegen des Morgennebels
sowieso recht wenig zu sehen gab. Na, wenn es wieder ein einheitliches
Deutschland gibt, suche ich als Insasse eines Reiseomnibusses die ganzen
Weinorte. die ich von den Flaschen her nur kannte, mal heim und hole nach, was
ich diesmal versäumte.
Über die „Deutsche Weinstraße", die sich mitten durch
Rebenhügel hinzieht, ging unsere Fahrt weiter nach Karlsruhe, Rastatt, Olfenburg zum zweiten
Etappenzielort
Freiburg im Breisgau, den wir 13:38 bzw.
13:39 Uhr laut Kontrollkarte erreichen mußten und erreichten.
Hatten Wir bis dahin die Strecke immer in der vorgeschriebenen
Zeit durchfahren, so standen Wir nun vor der ersten Sonderprüfung all der die
in der größtmöglichen Geschwindigkeit durchfahren werden mußte. Die gefahrene
Zeit der ersten drei Fahrer jeder Klasse plus 10 Prozent galt als Sollzeit, und
wer schlechter fuhr, erhielt für jede angefangenen 10 Sekunden einen
Strafpunkt.
Unser stärkster
Gegner, das hatten wir in gemerkt, war bei dieser Prüfung nicht einer der
superstarken Horex‑Fahrer, sondern der einzige Jawa‑Mann, dessen Maschine durch den Parallel‑Zweizylinder‑Zweitaktmotor
eine wesentlich bessere Beschleunigung als die Horex‑Maschinen
gezeigt hat, wobei auch wir mit unserer BK nicht ganz mithalten konnten.
Auf diesem
uns völlig unbekannten Bergkurs mit seinen 137 Kurven auf knapp 12 km Länge
entschied ja nur das Beschleunigungsvermögen und die Straßenlage der Maschine,
in Verbindung natürlich noch mit der Streckenkenntnis, die wir aber nicht
hatten.
Als Vierter ging ich mit Minutenabstand ran an
den Berg und bin gefahren, als wäre der Leibhaftige hinter mir. Wenn es
manchmal nur noch so am Rande der Straße abging, und ich unter mir die Wipfel der hohen Tannen sehen konnte,
schlug der Puls zwar etwas schneller, doch auf die Drehzahl des Motors
hatte das keinen Einfluß, fast dauernd im
dritten Gang mit reichlich 80 Sachen ‑ mehr war nicht drin ‑ so durchfuhr ich nach 10 Minuten 47,8
Sekunden die Strecke und konnte später feststellen, daß ich nur Sechs-zehntel Sekunden hinter dem
Jawa‑Fahrer die zweitbeste Zeit in unserer
Klasse gefahren hatte, also keine
Strafpunkte "kassieren" mußte. Voller Erwartung drückte ich am Ziel
meine Stoppuhr, um die Differenz zwischen mir und meinem Stallkameraden H a a
s e zu messen,
aber dieser kam und kam nicht, bis ich resigniert, nach über drei Minuten aufhörte
zu stoppen ‑in der Meinung daß etwas mit
ihm passiert sein mußte. Ich hatte nicht verkehrt getippt, denn als er etwas
später doch noch hochkam, erklärte er mir, daß zweimaliger Kerzenwechsel
unterwegs zu die ser Verspätung geführt habe. Da nun jeder nur einmal fahren
konnte, erhielt er durch diese große Zeitdifferenz zu den drei ersten Fahrern 13 Strafpunkte, die leider den
Verlust der Goldmedaille mit sich brachten.
Von Freiburg mehr zu
berichten, heißt glühende Kohlen auf die Häupter der dortigen Funktionäre
laden, denn diese Organisation, kann wirklich nicht als vorbildlich hingestellt
werden. Sorge um den Menschen ist für manchen der dortigen Funktionäre ein
Fremdwort gewesen, was ich damit beweise, daß
z.B. ein großer Teil der Fahrer über drei Stunden durchnäßt und frierend
im Fahrerlager warten mußte, bis mal ein Bus beschafft wurde, der sie in die
Quartiere, die fast alle mehrere Kilometer außerhalb Freiburgs lagen, brachte.
H a a s e und ich haben ab 15.30 Uhr gewartet und
kamen erst 20.30 Uhr in unserem Quartier an, Wenn nicht schon öfters Bergrennen
in Freiburg gewesen wären, könnte man meinen, diese. Funktionäre hätten vorn
Organisieren überhaupt noch keine Ahnung.
Dritte
Etappe: Freiburg über Stuttgart, Nürnberg nach München = 577 km
Diese Etappe war für uns wohl die schwierigste der ganzen Fahrt, Nicht etwa nur, daß die eingelegte Sonderprüfung auf der "Solitude" Schwierigkeiten gemacht hätte, oder die letzten 140 km Autobahn von Nürnberg nach München im auf 85 km/h erhöhten Schnitt gefahren werden mußten. sondern weil man ja schon 1500 km hinter sich hatte, und wir langsarn schon damit rechneten, unter den Medaillegewinnern sein zu können.
Wieder früh, diesmal 4.48 Uhr schickte mich der Starter auf
die Reise, Haase 1 Min. später. Gemeinsam brummten wir durch Freiburg und
verschwanden auf der Ausfallstraße nach Titisee. Eine romantische Landschaft
empfing uns. In unendlichen Kurven, uni Felsvorsprünge herum, zwischen hohen
Nadelbäumen ging es langsam aber sicher auf der herrlich asphaltierten Straße
an Ausflugslokalen und idyllisch gelegenen Ortschaften durch den Schwarzwald
nach Titisee.
Die Wolken kamen immer näher, und ehe wir uns versahen. hatten
sie uns verschluckt und setzten unseren Brillen dermaßen zu, daß wir dauernd
wischen mußten. Die Sieht wurde immer miserabler, so daß wir unser Tempo stark
reduzieren mußten, was uns nicht gerade in rosigste Laune versetzte, zumal es
noch fürchterlich kalt dabei wurde. Hier hätte uns die kleine Flasche Rum, die
jeder in Kiel zum Abschied noch mitbekam, gute Dienste tun können, doch leider
fuhr sie im Schluß-Lkw der Fahrtleitung, im Koffer bruchsicher verpackt, dem
Ziel entgegen. Mit fallender Straße stieg mit dein Nebel auch unsere Laune
wieder, wobei die BK auch wieder ihren Dunst bekam, und so gestimmt ging die
Fahrt weiter durch das Schwabenland über Donaueschingen‑Sulz‑Horb
zur ersten Durchfahrtskontrolle nach Mützingen und
immer weiter über Böblingen zur "Solitude"‑Rennstrecke
bei Stuttgart, wo nach 199 km im Glemseck die 1.
Zeitkontrolle lag.
Im Nu waren wir von einer interessierten Menschenmauer
umringt, und jeder wollte als erster was wissen oder als erster was bringen.
Landsleute, Bekannte, Unbekannte, jeder steckte voll von Fragen, und jedem
wollte man antworten, essen wollte man aber auch, und die Kontrollzeit durfte
auch nicht vermasselt werden, wie gesagt, es war ein Hexenkessel, in den wir
hineingeraten waren.
Für mich lag in der nun folgenden Sonderprüfung, auf der "Solitude"‑Rennstrecke mit ihren 11,5 km Länge in denen sich kurze, steile Anstiege mit längeren Geraden und ausgebaute Vollgaskurven mit der Schlängelei im Madental ablösten die Entscheidung für den besten Fahrer in den beiden Sonderprüfungen in der Luft. Mein größter Gegner auf der Jawa mußte bestimmt Schwierigkeiten wegen der schlechten Straßenlage seiner Maschine haben und konnte deshalb die Leistung seines Motors nur bergauf voll zur Geltung bringen ‑ würde es mir gelingen diesen Vorsprung in den Kurven wieder wettzumachen? Das war das große Fragezeichen für mich.
Nach der ersten Runde die wir zum Kennenlernen der Strecke ungewertet durchfahren konnten, ging es mit fliegendem Start in die nun gewertete Sonderprüfungsrunde Mit allem Dunst, den die BK hergibt, erreichte ich das Frauenkreuz, den höchsten Punkt der gesamten Strecke, und hatte bald nach einem kurzen. steilen Bergabstück mit anschließender Vollgaskurve meinen vor mir gestarteten Horex‑Mann erreicht, der mich nun im Windschatten mit über 125 Sachen‑ was ich ohne ihn nie geschafft hätte - bis zum Bühlauer Hof mitschleppte. Vor der ersten Rechts Bergabkurve ging ich an ihm vorbei und habe ihn nach einer tollen Kurverei durch das Madental die allein nur dem phantastisch liegenden BK‑Fahrgestell, in Verbindung mit dem neuen Riesa‑Reifenprofil R 3 zu verdanken ist, bis zum Ziel mit über 20 sec abgehängt.
Unsere erfolgreiche DDR‑Vertretung bei der ADAC‑Deutschlandfahrt.
Von links: Kurt Kämpf, Gewinner der Goldmedaille und des silbernen
ADAC‑Bechers; Siegfried Haase, Gewinner der
silbernen, Hermann Scherzer mit
Beifahrer Karl Uhlig, Gewinner der Goldmedaille
Haase, dessen Motor nicht ganz die Leistung des meinigen
erreichte hatte nun niemand, der ihn 3 km im Windschatten mitzog. Trotzdem fuhr
er in dein von ihm schon oft gezeigten Kurvenstil
seine Runde, die immerhin als die drittschnellste ganz knapp hinter dem Jawa‑Fahrer lag. Auch hier hatten wir Zweitakter die
Sache unter uns ausgemacht. Außer dem Super im Tank war an den superschnellen
Viertaktern diesmal nichts super.
Mit der Gewißheit nicht die Langsamsten auf dieser strafpunktspendenden Sonderprüfung gewesen zu sein setzten
wir frohen Mutes die Fahrt fort - nicht ohne nochmals den Tank voll Shell‑Super
genommen zu haben. da wir mit Absicht wegen des Gewichtes nur mit ein paar
Litern unsere Runden gedreht hatten.
In diesem Zusammenhang möchte ich gleich mal
den Verbrauch unserer BKs bekanntgeben, der über die gefahrenen 2200 km genau
gemessen wurde (wir fuhren Pfingstsonntag per
Achse von München nach Zschopau zurück), um allen bei uns in der Deutschen
Demokratischen Republik herumschwirrenden Gerüchten den Wind aus den Segeln zu nehmen. Die beiden
Solomaschinen verbrauchten im Durchschnitt genau 4,1 1 auf 100 km; während das
Seitenwagengespann - das ja noch
öfter Vollgas stehenlassen mußte - 5,9 l auf 100 km benötigte. Dieser für die
gefahrenen Geschwindigkeiten wirklich günstige Verbrauch ist jedoch mit auf den 80‑oktanigen Super-Kraftstoff
zurückzuführen.
Über
Backnang - Schwäbisch Hall (der 2.
Durchfahrtskontrolle) strebten wir weiter nach Nürnberg. Inzwischen stieg mit der Sonne
auch unsere Hoffnung, nun bald am Ziel zu sein.
Unser Empfang vor und in der Stadt, die nicht nur durch den Trichter oder die
Lebkuchen sondern vor allem durch ihre mit der Motorradentwicklung so eng
verbundene Industrie bekannt ist, war herzlich und nahrhaft. Das, was wir seit
früh versäumt hatten, sollte nun auf einmal nachgeholt werden. Aber wie dlas immer so ist, vor lauter Durst verspürte man keinen
Hunger, und wenn dieser gestillt war glaubte man, keine Zeit mehr zum Essen zu
haben.
Wir
verließen Nürnberg und legten ab Zeitkontrolle Feucht, dem letzten
Kontrollpunkt auf der Autobahn, bis zum 140 km entfernten Ziel in München‑Freimann
ein erhöhtes Tempo vor. Nach dein Start bummelte ich
zwar die obligatorische Minute, bis Haase zu mir aufschloß aber
dann gings rund. Die noch mitfahrenden, vor uns gestarteten
vier Horexer waren schon am Horizont verschwunden,
auch die Jawa zweitakterte
in den höchsten Tönen an uns vorbei. Doch wir ließen uns nicht aus der Ruhe
bringen. Die ersten 50 km legten wir im 90er Schnitt zurück, dann steigerten
wir langsam
das Tempo auf 100 km/h, und als wir die letzten 25 km vor uns hatten, gaben
wir ohne Pardon Vollgas und rauschten so mit unserer von knapp 120 km/h, wobei
jeder mal im Windschatten fuhr, dahin. Buchstäblich
erst 200 m vor dem Ziel ließen wir mit einem zufriedenem
Lächeln den Gasdrehgriff wieder los. Als wir so an die Kontrolle herankamen ‑
wir konnten ins Ziel auch vor unserer Sollzeit einfahren ‑wurde gerade
erst der Jawa‑Mann abgefertigt. Bei der
anschließenden Überprüfung der Fahrzeiten stellten wir dann noch nebenbei fest,
daß wir mit unseren 84 Minuten für die 140 km, was einem genauen 100 km/h
Durchschnitt entspricht, besser waren als manche Horex,
von denen wir sowieso eine sauergewordene überholt
hatten.
Volkseigene Industrie bewährte sich
Als Beispiel für die hohe,
thermische Belastbarkeit unseres BK350‑Motors möchte ich nur erwähnen,
daß nach dieser 140 hin langen Autobahnjagerei die
bei drückender Mittagshitze zwischen 12.30 und 13.44 Uhr stattfand, der Motor
beim Zündungsausschalten sofort stehenblieb und nicht mit Glühzündungen oder
ähnlichen Überhitzungserscheinungen noch weiter taktete, ehe er seinen Geist
aufgab, was natürlich (und das muß Mal gesagt werden) auch mit auf den 80‑oktanigen
Kraftstoff zurückzuführen ist.
Unsere Isolator‑Kerzen mit einem Wärmewert von 240, die
wir während der ganzen Fahrt drin hatten, haben sich bestens bewährt. Der
Kerzenschaden bei Haase auf dem "Schauinsland"
hatte wahrscheinlich seine Ursache im zeitweisen Ausfall des Zündstromes und
ist kaum auf die Kerzen‑Qualität zurückzuführen. Die vom VEB Gummiwerk
Riesa zur Verfügung gestellten. Reifen mit dem neuen Profil R 3 haben der BK
350 eine noch bessere Straßenlage gegeben, als sie ohnehin schon hat.
Reifenschäden traten an allen drei Maschinen nicht auf. Auch ein Zeichen der
hervorragenden Qualität der Erzeugnisse des Gummiwerkes Riesa, in dem sich die
Ingenieure und Konstrukteure der und auch alle anderen Arbeitskollegen die
größte Mühe geben. uns Kraftfahrern die Reifensorten zu fertigen. die wir für
unsere Aufgaben benötigen. Wir haben auf dieser Fahrt gerade hinsichtlich der
Reifen und Schlauche wertvolle Erfahrungen gesammelt, die wir bereits dem
Herstellerwerk übermittelt haben.
Daß unsere
serienmäßigen Bremsen an der BK 350 zu den besten gehören, die jemals in eine
350er Maschine eingebaut wuden, wußten wir schon,
seitdem der Trommeldurchmesser auf 200 mm vergrößert wurde. Daß wir aber so
überlegen gute Bremsen, gegenüber den anderen mitfahrenden Konkurrenten hatten,
wissen wir nun genau. Diese Tatsache ist aber ohne Zweifel ein Verdienst .des
VEB Bremsbelagwerkes Coswig, dessen
Entwicklungs‑Abteilung uns nicht nur bei der
Konstruktion wertvolle Hinweise gab, sondern selbst durch intensive Versuche
uns den richtigen Bremsbelag vorschrieb, der nicht aufgenietet sondern nach
einem besonderen Verfahren in diesem Werk aufgepreßt
wird, wobei die Haftung zwischen Belag und Bremsbacken noch nie zu
Beanstandungen geführt hat. Daß die ebenfalls aufgepreßten
Kupplungsbeläge ihren Dienst ohne irgendwelche Schäden einwandfrei getan haben,
braucht wohl gar nicht weiter erwähnt zu werden. Der Verschleiß dieser beiden hochbeanspruchten Teile ist nach dieser Fahrt so gering,
daß er nicht meßbar ist.
Man ersieht aus diesen drei Beispielen. dass wenn eine gute
Zusammenarbeit zwischen den Kraftfahrzeugherstellern und den Zubehörfirmen
vorhanden ist, die Qualität des Fahrzeuges auf jeden Fall den derzeit
höchstmöglichen Stand erreicht. Mit unseren Erfolgen auf der Deutschlandfahrt,
wo von drei
gestarteten Maschinen nicht nur alle drei die Fahrt bestens
überstanden, sondern sogar noch 2 Goldmedaillen, 1 Silbermedaille und last not
least der in jeder Klasse nur einmal verliehene "Silberne ADAC‑Becher
für den besten Solofahrer in der Klasse B bis 350ccm errungen wurden, kann die
volkseigene
Kraftfahrzeug‑ und Zubehörteilindustrie zufrieden sein.
Wir Fahrer vom VEB IFA Motorradwerk Zschopau haben damit den Beweis erbracht,
daß der Salz in unserem BK 350‑Prospekt keine bloße Propaganda ist:
„Mit der BK 350 hat das volkseigene
IFA Motorradwerk den Anschluß an den
internationalen Motorradbau erreicht." Diesen Beweis zu er
war neben der Förderung eines gesamtdeutschen Sportverkehrs der Sinn unserer
Beteiligung an der diesjährigen Jubiläums‑Deutschland‑Fahrt.
Ich kann
diesen Bericht nicht schließen, ohne mit Dankbarkeit der Fürsorge höchster
Funktionäre des ADAC zu gedenken, die uns in jeder Lage geholfen haben
Schwierigkeiten zu überwinden und die in uns das Gefühl aufkommen ließen, daß
der Deutschen Demokratischen Republik drüben im Westen unserer Heimat
Ressentiments gern gesehene Gäste warten
Illustrierter Motorsport, Heft 11, 1953